Lebensmittelverschwendung

Aufkommen an Lebensmittelverlusten und Lebensmittelabfällen

Weltweit gehen konservativ geschätzt rund 2,5 Milliarden Tonnen bzw. 30 bis 40 Prozent der für die menschliche Ernährung bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnisse jährlich verloren. Davon entfallen rund 1,2 Milliarden Tonnen auf Lebensmittelverluste in der Primärproduktion und laut älteren Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in den sich anschließenden Phasen der Wertschöpfungskette 1,3 Milliarden Tonnen auf genießbare Lebensmittelabfälle (FAO 2013). Nach dem neusten Food Waste Index Report 2024 des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) fallen über die Lieferkette in den Sektoren Groß- und Einzelhandel, Außerhaus-Verpflegung und private Haushalte weltweit rund 1,05 Milliarden Tonnen Lebensmittelabfälle (2021 931 Mio. t) an. Das entspricht rund 19 Prozent der 5,5 Milliarden Lebensmitteln, die laut den neuesten Food Balance-Daten (FAOSTAT) im Jahr 2020 zum Konsum zur Verfügung standen, bzw. einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Aufkommen von 132 kg. Zu in der Lebensmittelherstellung anfallenden Lebensmittelabfällen konnten keine belastbaren Daten ermittelt und somit keine Aussagen getroffen werden (UNEP 2024). Vorliegende Studien können zudem auch die Verluste in der Primärproduktion im Ernte- und Nacherntebereich, nur unzureichend abdecken.

Ansatzpunkte zur Reduzierung von Lebensmittelverlusten sind die insbesondere durch Anforderungen des Handels entstehenden Einbußen im Ernte- und Nachernteprozess. Im Einzelnen durch Aussortierung von Obst, Gemüse und Kartoffeln (siehe Qualitätsstandards für Obst und Gemüse) als nach äußerlichen Merkmalen nicht vermarktungsfähige Ware, um den vorgegebenen Größen- und Schönheitsanforderungen zu genügen, Überproduktion infolge der Anforderung ‚Qualitätsware‘ in ausreichenden Kapazitäten gewährleisten zu müssen sowie nicht mehr rentable Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen infolge zu geringer Erzeugerpreise. Zu den Verlusten in der landwirtschaftlichen Erzeugung gibt es bislang keine belastbaren Datengrundlage.

Die EU-Kommission hat die EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2019 per Durchführungsbeschluss (EU) 2019/2000 (EU-Kommission 2019) verpflichtet die Menge der Lebensmittelabfälle jährlich auf allen Stufen der Lebensmittelversorgungskette – erstmalig zum Erhebungsjahr 2020 – systematisch zu erfassen und an die EU-Kommission zu berichten. Laut dem im Juni 2022 an die EU-Kommission übermittelten Bericht sind in Deutschland im Jahr 2020 über die Lebensmittelversorgungskette rund 11 Mio. Tonnen Lebensmittelabfälle angefallen, die 20 Prozent des aktuellen Lebensmittelverbrauchs von 54,5 Mio. Tonnen entsprechen. Der von einem Konsortium aus Bundesumweltministerium, Umweltbundesamt, Statistischem Bundesamt und mehreren Forschungsinstituten verfasste Bericht wurde bis dato nicht veröffentlicht, der im Juni 2023 fällige Bericht für das Jahr 2021 von Deutschland (wie auch von Griechenland, Italien, Lettland, Malta, Spanien, Tschechien und Zypern) noch nicht vorgelegt.

Laut der zweiten EU-weiten Überwachung der Lebensmittelverschwendung beliefen sich die gesamten im Jahr 2021 gemessenen Lebensmittelabfälle auf mehr als 58,4 Mio. Tonnen Frischmasse (2020 58,1 Mio. Tonnen Frischmasse). Das durchschnittliche Pro-Kopf-Aufkommen lag bei 131 kg Lebensmittelabfällen pro Einwohner:in (2020 127 kg) und im Sektor private Haushalte bei 70 kg pro Einwohner:in. Die im Erhebungszeitraum 2020 für Deutschland ermittelten Werte lagen mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Aufkommen in Höhe von 131 kg insgesamt etwas über dem europäischen Durchschnittswert (und gemeinsam mit Luxemburg an vierzehnter Stelle im europäischen Ranking), mit 78 kg pro Haushalt erzeugten Lebensmittelabfällen etwas stärker über dem diesbezüglichen europäischen Durchschnittswert und an 19. Stelle im europäischen Ranking.

Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung

Deutschland sieht sich dem von der Staatengemeinschaft im Rahmen der Agenda 2030 beschlossenen Nachhaltigkeitsziel verpflichtet, vermeidbare Lebensmittelabfälle auf Einzelhandels- und Verbraucherebene bis 2030 zu halbieren (Sustainable Development Goal, SDG, 12.3) und hat die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung als relevanten Aspekt ‚Nachhaltiger Agrar- und Ernährungssysteme‘ in der ‚Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie‘ bekräftigt (Die Bundesregierung 2020).

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde im Februar 2019 die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung (StLMV) verabschiedet (BMEL 2019). Die StLMV setzt auf Zusammenarbeit mit allen Akteuren der Lebensmittelkette, freiwillige Maßnahmen von Lebensmittelindustrie, Handel und Gastronomie sowie das zur Dachmarke der Strategie ausgebaute Portal ‚Zu gut für die Tonne‘, das mit der Verbreitung von sektorspezifischen Ergebnissen und Best-Practice-Beispielen, Tipps, Bildungs- und Informationsmaterialien sensibilisieren und verändertem Umgang mit der Lebensmittelverschwendung beitragen soll.

Klima- und Umweltrelevanz der Lebensmittelverschwendung

Die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung ist eine klimapolitisch hoch relevante Herausforderung. Laut älteren Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gelangen durch verschwendete Lebensmittel jährlich rund 4,4 Milliarden Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre (FAO 2015). Aktuellere Schätzungen gehen davon aus, dass das globale Ernährungssystem mit Lebensmittelabfällen zu rund zehn Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen (THG) beiträgt (vgl. auch weltweiter Treibhausgasausstoß), zu circa zwölf Prozent mit direkten THG-Emissionen (Methan aus Reisanbau und von Wiederkäuern, Lachgas aus landwirtschaftlich genutzten Böden) und inklusive weiterer THG-relevanter Prozessschritte wie bspw. Transport, zur Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung eingesetzter Energie oder Verpackung insgesamt mit bis zu 37 Prozent (WWF Deutschland 2022). Eine konsequente Reduzierung von Lebensmittelabfällen kann somit einen relevanten Beitrag leisten zur Erreichung der Klimaziele der Bundesregierung, die den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent reduzieren will, sowie zu Ressourcenschonung und Umweltschutz (Flächen-, Wasser- und Energieverbräuche) beitragen und Biodiversitätsverlusten entgegenwirken. Mit der politisch angestrebten Halbierung der vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Handel und Konsum könnten schätzungsweise 17 Mio. t CO2-Äquivalente, vier Mio. Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche und 368 Mio. GJ zur Lebensmittelerzeugung eingesetzter Energie eingespart werden (Schmidt et al. 2019).

 

Literatur

BMEL (2019): Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. Berlin: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Die Bundesregierung (2020): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Weiterentwicklung 2021. Berlin.

EU-Kommission (2019): Delegierter Beschluss (EU) 2019/1597 der Kommission vom 03.05.2019 zur Ergänzung der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine gemeinsame Methodik und Mindestqualitätsanforderungen für die einheitliche Messung des Umfangs von Lebensmittelabfällen. In: Amtsblatt der Europäischen Union (L 248), S. 77–80.

EU-Kommission (2021): DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2021/1890 vom 2. August 2021 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 hinsichtlich der Vermarktungsnormen im Sektor Obst und Gemüse. In: Amtsblatt der Europäischen Union (L 384), S. 23–83.

FAO (2013): Food wastage footprint. Impacts on natural resources : summary report. Rome: Food and Agriculture Organization of the United Nations. ISBN 978-92-5-107752-8.

FAO (2015): Food wastage footprint & Climate Change. Rome: Food and Agriculture Organization of the United Nations.

Schmidt, T G; Baumgardt, S et al. (2019): Wege zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen - Pathways to reduce food waste (REFOWAS). Maßnahmen, Bewertungsrahmen und Analysewerkzeuge sowie zukunftsfähige Ansätze für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln unter Einbindung sozio-ökologischer Innovationen. Volume 1. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut (Thünen Report 73). DOI: 10.3220/REP1569247044000.

UNEP (2024): Food Waste Index Report 2024. Think Eat Save: Tracking Progress to Halve Global Food Waste.: United Nations Environment Programme.

WWF Deutschland (2022): Ernährung & Klimawandel: Essen wir das Klima auf? Berlin.

(Stand 12.2023)

Autor: Regine Rehaag

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