Das V. hat das Ziel, vom reparierenden, reagierenden Umweltschutz weg und über diesen hinaus zu einer längerfristigen, an der Belastbarkeit der Umwelt orientierten Umweltplanung überzugehen.
Der Theorie nach sollen über die Abwehr unmittelbarer Gefahren und bereits eingetretener Schäden hinaus die natürlichen Ressourcen geschützt bzw. schonend in Anspruch genommen werden. In der Praxis erfolgt, auch wo dies nicht sachgerecht ist, häufig eine Berufung auf das V., wenn ein politisches Interesse besteht, die (zwingenden) Rechtsfolgen der Gefahrenabwehr nicht eintreten zu lassen.
Vorsorgemaßnahmen unterscheiden sich von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr v.a. durch den mit ihnen eröffneten weiten Ermessens- und Anpassungsspielraum, der nicht selten im Ergebnis zu Lasten der Natur und der Gesundheit genutzt wird, während das Postulat fortschreitenden Umweltschutzes aufrechterhalten werden kann.
Nach dem Grundgedanken des V. sollen Umweltbelastungen von vornherein vermieden und an der Quelle bekämpft werden. Eine Anwendung des V. auf eingetretene Schäden ist dagegen, wenn auch gängige Praxis, für den Umweltschutz kontraproduktiv.
Zur Konkretisierung des V. verfügt das Umweltrecht in Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften über unterschiedlich gewichtige Technikstandards, wie die "allgemein anerkannten Regeln der Technik", den "Stand der Technik" und den "Stand von Wissenschaft und Technik", nach denen die Einwirkung auf die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken ist. Konsequent angewandt, müsste es umweltschützende Maßnahmen bereits bei Gefahrverdacht erzwingen (Umkehr der Beweislast im politischen Entscheidungsprozess).
Das V. ist einer der Grundsätze der Umweltpolitik. Die Vorsorge verfolgt über die Schadensbeseitigung und Gefahrenabwehr (Schutzgrundsatz) hinaus drei Ziele:
Durch Vorsorgemaßnahmen soll Risiken entgegengewirkt werden, die auf den Grenzen der menschlichen Erkenntnis, auf anderen nicht zu beseitigenden Unsicherheiten der Bewertung von Immissionswirkungen, auf der Kumulation zahlreicher Immissionsbeiträge oder auf der besonderen Situation eines Betroffenen beruhen (Risikominimierung).
Durch Vorsorgemaßnahmen sollen die Umweltbelastungen allgemein vermindert werden, um das Zusammenleben zu erleichtern (Sicherung der Umweltqualität, Umweltfreundlichkeit). Vorsorge kann unter keinem der genannten Gesichtspunkte uneingeschränkt gefordert werden. Der im Verfassungsrecht verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck ist stets zu beachten. Dabei sind insbesondere die Auswirkungen möglicher Vorsorgemaßnahmen und ihre Kosten abzuwägen.
Autor: KATALYSE Institut