Spätschäden, die nach Bestrahlung eines Organismus mit ionisierender Strahlung auftreten können und sich im Gegensatz zu genetischen Strahlenschäden nicht auf die Nachkommen übertragen
Für S. gibt es keinen Schwellenwert, jede noch so kleine Strahlendosis kann zu einem Schaden führen. Zustandekommen von S.: Strahlenschäden.
Wichtigster S. ist Krebs, der meist erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Bestrahlung ausbricht (Latenzzeit). Am häufigsten sind: Leukämie (Blutkrebs), Brust-, Lungen- und Schilddrüsenkrebs. Als weitere Spätschäden sind bekannt: Wachstums- und Entwicklungsstörungen, vorzeitiges Altern, Schwächung des Immunsystems, Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten. Je nachdem, ob der ganze Körper gleichmäßig bestrahlt wurde oder sich radioaktive Substanzen (Radioaktivität) in einzelnen Organen anreichern (Anreicherung), unterscheidet sich die Häufigkeit verschiedener Spätschäden. Jedes Organ hat seine spezifische Strahlungsempfindlichkeit. Besonders strahlungsempfindlich sind Organe mit hoher Zellteilungsrate, wie z.B. das Knochenmark als wichtigster Teil des blutbildenden Systems. Aus demselben Grund sind Embryos besonders strahlungsgefährdet. Beobachtet wurden: Fehl- und Totgeburten, Mißbildungen und spätere Krebsfälle. Schilddrüsenbelastungen durch radioaktives Iod bei Embryos und Kleinkindern können zu Wachstums-, Entwicklungs- und späteren Lernstörungen führen.
S. wurden beobachtet bei Personengruppen, die erhöhten Strahlenbelastungen ausgesetzt waren: Atombombenopfer in Hiroshima und Nagasaki (Atomwaffen), Arbeiterinnen der Leuchtfarbenindustrie, Arbeiter in Uranminen und kerntechnischen Anlagen (Brennstoffkreislauf, Kernkraftwerk, Wiederaufarbeitung, Tschernobyl), Bewohner von Gebieten mit hoher terrestrischer
Strahlenbelastung, Personal und Patienten im medizinischen Strahlungsbereich (Röntgendiagnostik, Strahlentherapie, Nuklearmedizin).
Umstritten sind S. der Bevölkerung im Umkreis von Kernkraftwerken infolge radioaktiver Abgaben im Normalbetrieb, so z.B. eine Erhöhung von Säuglingssterblichkeit und kindlichen Leukämiefällen (Kernkraftwerk).
Anhand von Personengruppen mit hohen Strahlenbelastungen versuchen Wissenschaftler das Risiko der S. abzuschätzen. In ihrer jüngsten Empfehlung geht die internationale Strahlenschutzkommission (ICRP-60 1990) davon aus, daß es eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellenwert für strahlungsinduzierten Krebs gibt (Strahlenschäden). Eine Kollektivdosis von 10 Personen-Sievert führt der ICRP nach zu einem krebs- oder leukämiebedingten Todesfall. Noch vor wenigen Jahren schätzte die ICRP das Strahlungsrisiko um bis zum Faktor 10 niedriger ein. Die Revision der alten Abschätzung resultiert aus einer Neuauswertung der Hiroshima- und Nagasaki-Daten. Zum einen zeigte sich, daß die
Strahlenbelastung nach den Atombombenabwürfen niedriger gewesen war als angenommen, zum anderen traten auch noch 30 Jahre nach der Explosion weitere Krebsfälle bei den Überlebenden auf. So kommt die ICRP heute zu Risikoabschätzungen, die in der Vergangenheit nur von sog. kritischen Wissenschaftlern vertreten wurden. Allerdings hat die ICRP für kleine Strahlenbelastungen einen sog. Reduktionsfaktor eingeführt, der das Strahlenrisiko rechnerisch halbiert. Kritiker lehnen diese Reduktion als unbegründet ab und legen eigene Studien vor, die gerade im Niedrigdosisbereich zu deutlich höheren Dosis-Wirkungs-Beziehungen (10 Personen-Sievert führen demnach zu 6-8 Krebstodesfällen) kommen. Eine endgültige Klärung der Dosis-Wirkungs-Beziehung steht gerade für den Niedrigdosisbereich noch aus und wird erschwert durch Unkenntnis der genauen Wirkmechanismen und der politischen Brisanz solcher Abschätzungen. So ist es an sich ein politischer Skandal, daß die offizielle Heraufsetzung des strahleninduzierten Krebsrisikos nicht zu einer adäquaten Herabsetzung der Grenzwerte führte (Strahlenschutzverordnung). Als Faustregel für S. mag derzeit gelten: 10 Personen-Sievert führen zu einem krebs- oder leukämiebedingten Todesfall.
Unter Annahme einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung besagt diese Faustregel: Wenn 100 Personen eine Dosis von 0,1 Sv (= 100 mSv) oder 1.000 Personen eine Dosis von 0,01 Sv (= 10 mSv) oder 1 Mio Personen eine Dosis von 0,01 mSv erhalten, so ist die Zahl der dadurch bedingten Todesfälle infolge von Krebs oder Leukämie gleich, nämlich gleich eins. Beispiele: Arbeiter in Schweizer Kernkraftwerken erhalten pro Jahr die mittlere Strahlendosis von 8,5 mSv, das sind in 20 Jahren 20mal 8,5 mSv = 170 mSv. Von 1000 Arbeitern werden demnach 17 an strahlungsbedingtem Krebs sterben. Erhielten alle Bundesbürger die nach der Strahlenschutzverordnung für radioaktive Abgaben von Kernkraftwerken zulässige jährliche Gesamtdosis von 0,6 mSv, hätte dies 4.800 Krebstote zur Folge. Entsprechend trägt die natürliche
Strahlenbelastung (2,0 mSv/Jahr) jährlich mit etwa 16.000 Krebstoten in Deutschland zu etwa 9% an den Gesamttodesfällen durch Krebs bei (
Strahlenbelastung, Krebsrisiko).
Autor: KATALYSE Institut