Nitrofen

Die chemische Bezeichnung von Nitrofen lautet 2,4-Dichlorophenyl-p-nitrophenylether. Nitrofen ist ein Unkrautvernichtungsmittel, dass als Rückstand in Futtergetreide zwischen März und Mai 2002 an rund 120 Öko-Höfen in mindestens fünf Bundesländern durch einen niedersächsischen Futtermittelhersteller verkauft wurde.

Die Rückstände wurden nach der Untersuchung von Putenfleisch eines niedersächsischer Öko-Putenerzeuger entdeckt. Der Mäster wandte sich mit seinem positiven Befund an die Bundesanstalt für Fleischforschung (BAFF), die seine Ergebnisse bestätigte. Die BAFF hatte im untersuchten Putenfleisch Werte zwischen 0,08 und 0,4 Milligramm Nitrofen pro Kilogramm nachgewiesen

Nitrofen ist ein Getreideherbizid, das 1964 in den USA entwickelt wurde. Nach Angaben der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig war Nitrofen in den alten Bundesländern bis 1980 zugelassen. Die Zulassung ist danach nicht mehr verlängert worden, weil es Bedenken gab, dass direkt damit arbeitende Menschen, Schaden nehmen könnten.

Ein vollständiges Anwendungsverbot gibt es in den alten Bundesländern seit 1988 und in den neuen Bundesländern seit 1990. Nach der Verordnung über Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel (Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung) ist Nitrofen in Anlage 1 als Substanz Nr. 35 geführt. Für diese Stoffe besteht ein vollständiges Anwendungsverbot.

Die Ursache für die Nitrofen-Verunreinigungen in Öko-Getreide ist ein Fall mangelnder Lagerhygiene. Die Lagerhalle für das betroffene Getreide einer Saatgutfirma bei Neubrandenburg hatte zu DDR-Zeiten als Pestizidlager gedient.

In der ehemaligen DDR war Nitrofeni n den Pflanzenschutzmittel "Trizilin" und Trzilin 25" enthalten. In den Produkten "Namedit", Plantulin", "Trazalex" und Trazalex extra" wurde Nitrofen mit anderen Wirkstoffen wie 2,4-D oder Simazin kombiniert. Hergestellt wurden die Produkte vom VEB Chemiekombinat Bitterfeld und dem VEB Berlin-Chemie in Ostberlin.

Sehr wahrscheinlich ist die Halle in Malchin zudem nicht die einzige Quelle der Nitrofen-Verunreinigungen. Denn es sind positive Proben genommen worden, die nicht mit Malchin in Verbindung gebracht werden können. Auch ist bisher nicht geklärt, ob die 250 Tonnen belastete Triticale, die Anfang Mai an die GS agri geliefert wurden, auch in der fraglichen Halle untergebracht waren.

Nitrofen wird im Boden durch Mikroorganismen und Licht abgebaut. In Laboruntersuchungen zum Abbau im Boden im Dunkeln erwies sich Nitrofen nach Angaben der Biologischen Bundesanstalt als sehr persistent. In der Praxis verringerte sich der Nitrofengehalt im Boden innerhalb von 100 Tagen auf ein Viertel und nahm danach nur noch langsam ab. Nach einigen Jahren war kein Nitrofen mehr im Boden nachweisbar.

Das in Wasser unlösliche Nitrofen reichert sich nicht im Boden und nur wenig im Fettgewebe von Tieren an.
Neben der krebsauslösenden Wirkung, die im Tierversuch festgestellt wurde, besteht bei Nitrofen auch der Verdacht endokrine Wirkungen (hormonähnliche Wirkungen) zu besitzen bzw. auszulösen. Das Herbizid Nitrofen ist weiterhin Embryo schädigend (Lungenmissbildungen). Zur Wirkung beim Menschen gibt es derzeit keine toxikologischen Daten, die Ergebnisse der Tierversuche zeigen aber einen ausreichender Verdacht der möglichen Kanzerogenität (Krebserzeugung) beim Menschen durch Nitrofen.

Gerade für Anwender ist Nitrofen besonders gefährlich, da es als weißes bis braunes kristallines Pulver stark toxisch ist. Die Substanz reizt die Augen, die Haut und die Atemwege. Wiederholter oder andauernder Hautkontakt kann Dermatitis hervorrufen.
Experten halten das Krebsrisiko bei den aufgetretenen Rückstandswerten im Futtergetreide für sehr gering. Im Tierversuch wurden den Mäusen einen Menge verabreicht, die beim Menschen einer täglich Aufnahme von 7.000 Milligramm (7 Gramm) Nitrofen entspricht.

Nitrofen ist ein schnell wirkendes, selektives Kontaktherbizid, das sowohl über das Blatt als auch über die Wurzel aufgenommen wird. Der Wirkstoff wird in der Pflanze verteilt und unter Lichteinfluss zu einem aggressiven Radikal umgebaut, dass die Zellmembran angreift und zerstört. Über den genauen Mechanismus ist nur wenig bekannt. Zudem stören Diphenylether wie Nitrofen auch die Bildung von Chlorophyll, indem sie die Aktivität des Enzyms Protoporphyrinogen-Oxidase hemmen, das für die Bildung des grünen Farbstoffes gebraucht wird.

Die Ursache für die Nitrofen-Verunreinigungen in Ökogetreide ist nicht der Ökobranche zu zu schreiben. Vielmehr wurde das Getreide in Mecklenburg-Vorpommern mit dem verbotenen Pflanzenschutzmittel in einer Lagerhalle kontaminiert, die zu DDR-Zeiten als Pestizidlager gedient hatte. Grund ist also mangelnde Lagerhygiene und weniger die Versäumnisse der Ökobranche. Eine pauschale Verurteilung von Öko-Produkten wird daher der Sachlage nicht gerecht. Alle Ökohersteller, die das belastete Getreide verfüttert haben, wurden gesperrt und haben ihre Produkte zurückgezogen.

Nitrofen in Ökoprodukten ist ein Problem, das "von außen" in das System Ökolandbau wirkt und schadet. Skandale, wie Nitrofen werden durch kritikwürdiges Verhalten einzelner Menschen verursacht und sind nicht die Schuld einer ganzen Branche. Im Sinne von Verbraucherschutz und Produktsicherheit ist und bleibt der ökologische Landbau das zuverlässigste landwirtschaftliche System.

Autor: KATALYSE Institut

Veröffentlicht in Ernährung, N, N - S, Substanzen & Werkstoffe.